Rand und Band
Samstag, 2. Januar 2021

Lese- und Filmtip: Die russische Insel Sachalin

Anton Chekhov: The Island – A Journey to Sakhalin

Auf Sachalin leben die Nachfahren der russischen Urbevölkerung, die Niwchen und Gilyaken, deren Leben und Kultur durch die Härte und Rauheit der klimatischen und geographischen Bedingungen geprägt ist. Durch seine abgeschiedene Randständigkeit war das im äußersten Nordosten gelegene Sachalin bis 1906 die Gefängnisinsel für besonders schwere Vergehen. Literarische Bekanntheit erlangte Sachalin vor allem durch Anton Tschechows Reisebericht; der gelernte Arzt machte seine Studienreise nach Sachalin 1890, auf der Höhe seines Schaffens, und veröffentlichte seine Eindrücke in einem für ihn außergewöhnlich nüchternen und wissenschaftlichen Stil. Die Gründe für Tschechows entbehrungsreiche Reise sind meines Wissens nicht vollständig geklärt, in einem seiner Briefe nennt er die Bringschuld, die er gegenüber seiner wissenschaftlichen Ausbildung habe, und die er als Schriftsteller nie beglichen hat. Ein andermal spricht er von der Enge des bürgerlichen Lebens, aus dem er als Künstler auszubrechen habe.

Tschechow begibt sich in seinen Betrachtungen von Land und Leuten in die Rolle des Kulturwissenschaftlers, und wenn er dem Leser vom unbekannten Dasein der Gefangenen berichtet, in die des Aufklärers.

Sachalin – Russlands Insel zwischen den Welten (Dokumentation 2018, arte 02.01.2021, 19:30-20:15)

Seit Tschechows Reise sind 130 Jahre vergangen. Die Dokumentation berichtet vom Verbleib der Niwchen, ihrem Leben und ihren Traditionen inmitten einer russischen Bevölkerungsmehrheit.

Nachtrag: Die arte-Doku ist leider nicht empfehlenswert. Auf den Informationsgehalt reduziert, hätten locker 5 Minuten gereicht. Um das Aussterben ihrer Kultur zu verdeutlichen, wäre zumindest ein kulturgeschichtlicher Einblick erforderlich gewesen. Die heutigen Probleme – neben dem Kulturverfall und der Landflucht vor allem Umweltprobleme durch die russische Ölförderung – werden beiläufig in der Schlussszene erwähnt.

Sie sind nicht angemeldet